Der Alvensleben’sche Familienring

Die Familie v. Alvensleben ist seit dem 15. oder 14. Jahrhundert im Besitz eines einfachen goldenen Ringes, an den eine Ringsage geknüpft ist. Er hat eine sechseckige Form, wiegt etwa fünf Gramm und ist mittels einer Kordel mit einem etwa 5 cm großen, hölzernen Johanneskopf verbunden.

Die älteste schriftliche Nachricht über diesen Ring datiert aus dem Jahr 1575, als die Vettern der schwarzen Linie dem Kloster Neuendorf die Rückgabe eines halben Ringes („unserm gantzen geschlechte zustendigk) quittieren, den ihre Voreltern aus Calbe „vorrurter“ Zeit dem Kloster zur Verwahrung gegeben hatten. Die Rückgabe erfolgte, weil die letzte der Klosterfrauen aus dem Geschlecht von Alvensleben im Kloster Neuendorf verstorben war (Mülverstedt IV, S. 350).

Wann genau der Ring dem Kloster in Verwahrung gegeben wurde, ist nicht bekannt. Es gab im 15. Jahrhundert mehrere Nonnen aus der Familie v. Alvensleben, darunter Sophie v. Alvensleben, die von 1455-1470 als Äbtissin des Klosters Neuendorf in den Urkunden erscheint und als Bewahrerin des Ringes infrage kommt. Man muss davon ausgehen, dass der Ring, bevor er in das Kloster Neuendorf kam, sich bereits einige Zeit auf der Burg Calbe/Milde befunden hat. Er könnte deshalb aus dem 14. Jahrhundert stammen, worauf auch die Ringsage hindeutet.

Aufgrund der Verheißung, dass es dem Geschlechte wohl ergehen werde, solange der Ring in Ehren gehalten wird, hat man ihn über Jahrhunderte immer sehr sorgfältig bewahrt. Vermutlich wurde er nach 1575 wieder auf die Burg Calbe gebracht. Im 30jährigen Krieg soll er im Altar der Kirche in Siepe (bei Calbe/Milde) eingemauert worden, danach nach Lübeck gekommen sein. Weitere Aufbewahrungsorte waren Zichtau (1668, 1774) und Erxleben II (1819) bis 1945. Von dort konnte er kurz vor der russischen Besetzung im Juni 1945 gerettet werden. Er blieb zunächst in Nörten-Hardenberg, wo die Erxleber Alvensleben Zuflucht gefunden hatten, und kam 1946 zur sichereren Verwahrung in den Domschatz von Paderborn. Im Rahmen des Alvenslebenschen Familientages am 13.9.2008 in Halberstadt wurde er aus dem „Exil“ zurückgeführt und dem Domschatz von Halberstadt, 2020 dem Domstift Brandenburg zur Verwahrung übergeben.

Die älteste schriftliche Fassung der Ringsage findet sich bei Edinus (1581) im Rahmen einer in lateinischen Hexametern geschriebenen Familiengeschichte. Sie dürfte aber vorher schon über viele Generationen mündlich überliefert worden sein.

Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachen-Anhalt, Juraj Lipták

Der Alvensleben’sche Familienkelch

Im Besitz der Weißen Linie der Alvensleben befindet sich ein vergoldeter silberner gotischer Abendmahlskelch mit Patene. Auf dem sechspassförmigen Fuß ist ein Kruzifixus aufgegossen. Am Nodus befinden sich zehn Nischen, abwechselnd eine breitere und eine schmälere, alle 10 mit gotischen krabbenbesetzten Kielbögen schließend. In den schmäleren Nischen steht je eine männliche Gestalt, in vier von den breiteren Nischen ein Löwe, in der 5. befindet sich ein Plättchen mit dem eingravierten Wappen der Alvensleben und den Buchstaben B. V. A. (= Bertha v. Alvensleben, wahrscheinlich die Frau von Werner I v. Alvensleben auf Gardelegen). Auf dem Schaftring dicht unter der Kuppa stehen in gotischer Schrift die Worte: hilf ghot ut. An der Unterseite des Fußes ist eine Gewichtsangabe eingekratzt. Der Kelch ist 22,3 cm hoch. Der Durchmesser des Fußes beträgt 20 cm, der Kuppa, 14,2 cm. Die Patene zeigt auf dem äußeren breiten Rand ein eingepunztes Kreuz, am inneren Rand ziseliertes Blattornament. Der Kelch ist eine sehr schöne Arbeit des um 1400 in Gardelegen als „Ratmann“ nachweisbaren Goldschmied Henrico Horne, der einen ähnlichen Kelch im Besitz von St. Marien in Gardelegen und einen zweiten in Kloster Neuendorf bei Gardelegen signiert hat. Ein dritter von demselben Meister befindet sich in Diesdorf (Kreis Salzwedel). Alle drei Kelche zeigen stärkste Verwandtschaft mit dem Alvenslebenschen Familienkelch. Das Neuendorfer Exemplar ist durch seine Inschrift, welche Berta v. Alvensleben, Witwe Gebhards v. Alvensleben auf Calbe (+ 1403) aud der Schwarzen Linie als Stifterin des Kelches bezeichnet, auf die Zeit bald nach 1403 datiert. Um diese Zeit dürfte auch der Alvenslebensche Familienkelch gearbeitet sein. Dagegen ist das Plättchen mit dem Wappen in einer seiner Nischen offensichtlich erst im 17. Jahrhundert eingefügt.

Auch der Diesdorfer Kelch ist eine Stiftung der Alvensleben. Auf seinem Fuß befinden sich die Wappen Alvensleben, Bartensleben, Jagow und Steinberg und die Inschrift: HUNC CALICEM DEDIT GODELE UXOR BORSCHERDI DE BERTENSLEBE AD CLAUSTRUM HALDENSLEBE PRO MEMORIA (= diesen Kelche schenkte Godela, die Gattin Borchards von Bartensleben, dem Kloster Haldensleben zum Gedächtnis). Demnach befand sich dieser Kelch zunächst im Kloster Haldensleben und kam erst später nach Diesdorf. Die Stammtafeln der Bartensleben weisen einen Borchard von Bartensleben aus, der eine Alvensleben zur Frau hatte. Hierbei handelt es sich – wie die Stifterinschrift ausweist – um Godele v. Alvensleben. Sie war eine Tochter Bussos IV. v. Alvensleben (+1411) auf Burg Erxleben aus der Roten Linie.

Der Sage nach soll der Alvenslebensche Kelch mit einem Drittel oder der Hälfte des Familienringes der Alvensleben vergoldet worden sein, das zweite Drittel bzw. die Hälfte des Ringes befindet sich im Besitz der Schwarzen Linie der Alvensleben (siehe oben). Der Kelch befand sich bis 1945 in Erxleben I, konnte – wie der Ring – im Juni 1945 vor der russischen Besetzung gerettet werden und kam 1988 in den Domschatz in Paderborn, wo sich der Ring bereits seit 1946 befand. 2008 wurden beide Familienkleinodien aus dem „Exil“ in ihre Ursprungsregion zurückgeführt und dem Domschatz in Halberstadt, 2020 dem Domstift Brandenburg zur Verwahrung übergeben.

Quellen:

  • Paul Pflanz: Gardelegener Goldschmiedekunst ums Jahr 1400. „Lieb‘ Heimatland“. Monatsbeilage des Gardelegener Stadtanzeigers. 6. Jahrg., Nr. 5, Februar 1931
  • Hans Möhle: Kunstbesitz des Schlosses Erxleben I, 1934, Unveröffentlichtes Manuskript.
    M.-L. Harksen: Die Kunstdenkmale des Kreises Haldensleben. Leipzig 1961, S. 249.
  • Eva Toepfer: Vermerk vom 5.6.1991 (über den Kelch in der Marienkirche in Gardelegen sowie über weitere Hinrich Horn zugeschriebene Kelche in Kloster Neuendorf, in der Klosterkirche Diesdorf, im Dom St. Nikolaus in Stendal und über den Alvenslebenschen Kelch – unveröffentlicht).
  • Bettina Seyderhelm: Goldschmiedekunst des Mittelalters. Eine Ausstellung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Kirchlichen Stiftung Kunst- und Kulturgut in der Kirchenprovinz Sachsen 2001 und 2002. Ausstellungskatalog. S. 256-261.