Maikäferei

Mit August Wilhelm Goetze und Friedrich Karl v. Bülow begründete Klemens Brentano im Dezember 1814 die „Maikäferei“ (genannt nach dem Wirt des Lokals an der Schloßfreiheit, Mai), eine Tischgesellschaft ähnlich der Christlich Deutschen Tischgesellschaft. Der Ton unterschied sich von dieser jedoch gravierend und die Mitglieder waren jünger. Dieser Gesellschaft gehörten die drei Brüder Gerlach, Carl von Voss, Carl von Rappard, August Wilhelm Goetze, Friedrich Karl von Bülow, Adolf von Thadden, Graf Albrecht v. Alvensleben zeitweise auch der jung gefallene Graf Christian Stolberg und der Dichter Karl Thorbecke an. Die Teilnehmer an der Maikäferei gehörten zum christlich – konservativen Teil der gesellschaftlichen Gruppierungen, die liberale Ideen als „französisch“ verachteten und den Preußischen Reformen Hardenbergs und Steins ebenso ablehnend gegenüberstanden, wie zuvor die Christlich Deutsche Tischgesellschaft. Das Hauptinteresse der „Maikäfer“ wäre nach den Erinnerungen Ludwig v. Gerlachs patriotisch-romantisch-genial-christliche Poesie gewesen. Man sang Lieder und Brentano – als Mittelpunkt – trug Gedichte vor.

Prägend für die „Maikäferei“ war der in den preußischen Eliten um sich greifende Neupietismus. Religiös – erbauliche Stimmung und Frömmigkeit war eine direkte Reaktion auf die Befreiungskriege, in denen viele Teilnehmer zurück zur Religion gefunden hatten. Die neupietistische Erweckungsbewegung entwickelte sich in kleinen Zirkeln, entsprechend der katholischen Erneuerungsbewegung in Münster und Landshut. Ihre Teilnehmer missionierten vornehmlich durch persönliche Einwirkung von Mensch zu Mensch, die bald soziale Schranken überschritt und Personen aller Stände erfaßte. An den Bestrebungen der Berliner Pietisten nahm neben dem Adel auch das hohe Beamtentum Anteil; der Kronprinz und Nicolovius – der im Ministerium über die Besetzung der Kirchenämter zu entscheiden hatte – verschafften den pietistischen Kreisen Einfluß. Leopold und Ludwig Gerlach aber auch Adolph v. Thadden waren wohl die treibenden Kräfte, sie hatten in jedem Fall später die allergrößte Wirksamkeit. Wichtig in Hinblick auf Brentano ist der überkonfessionelle Charakter der Erweckungsbewegungen. Die Mystik war die gemeinsame Quelle, ob protestantisch oder katholisch. Matthias Claudius und Friedrich Perthes, Jacobi, Hamann und Nicolovius – er war Erzieher im Hause des konvertierten Grafen Stolbergs gewesen, – sie alle pflegten enge Beziehungen zum Gallitzinschen Kreis in Münster und zu Sailer in Landshut. Brentano selbst wendete sich mehr und mehr der katholischen Erweckungsbewegung zu. Mit dem befreundeten Sailer und dem ihm bekannten Ringseis nahm er wieder Kontakt auf und vermittelte deren Briefe über die „Katholische Reformation“ an Thadden und Gerlach. Brentano war in der Maikäferei eine ideale Brücke zur Konversion (Konfessionswechsel) gebaut, er fand hier einen Nährboden, der seine weitere Entwicklung hin zum mystischen Katholizismus entscheidend begünstigte.

1816/17 erschien der erste Band der „Restauration der Staatswissenschaft“ des Schweizers Carl Ludwig v. Haller. Hallers antiliberale Staatskonzeption stieß in der konservativen Abendgesellschaft sofort auf Resonanz, die sich schnell zur Begeisterung steigern sollte. In Hallers Entwurf verband sich aristokratisches Standesgefühl mit religiöser Gläubigkeit. In der ständischen Gliederung der Gesellschaft sah er eine von Gott gegebene Ordnung, denn sie baute das soziale Leben von der Familie her auf, sie bot mit dem gebundenen Bodenbesitz ein Moment des Beharrens. Der Staat ginge aus einem Aufbau aus Familien und Korporationen hervor. Der Souverän sei nichts anderes, als der größte Fideikommißherr neben den vielen kleineren, die in ihrem Kreise ähnliche Herren sind, der Staat ist eine Familie im großen, und der Fürst unterscheide sich von einem anderen Familienvater nur darin, daß er keinen anderen Oberen über sich hat außer Gott.

Beide Strömungen – Neupietismus und Hallersche Staatslehre – verschmolzen in der „Maikäferei“ und radikalisierten sich. Als Brentano Berlin 1818 verließ, war dies kein Bruch, sondern eine konsequente Zuspitzung, wobei Brentano den katholischen Weg wählte (den der kirchlichen Suprematie), während die Gerlachs und andere sich dem protestantisch – preußischen Neupietismus zuwandten und später politisch den ständischen Konservativismus repräsentierten.

Auszug aus:  Peter Groth: Anna Katharina Emmerick 1774-1824. Kapitel „Klemens Brentano, Der Weg zur Konversion“.

Weitere Literatur:

  • J. v. Gerlach: Ernst Ludwig von Gerlach. Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken. Schwerin 1903, S. 94 ff
  • B. v. Kröcher: Die alte Generation, Teil 2. Braunschweig 1921, S. 6ff (speziell über die „Erweckungsbewegung der Romantik“).

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