Polvitz

Polvitz um 1700 - Zeichnung von Anco Wigboldus

Polvitz um 1700 – Zeichnung von Anco Wigboldus

Polvitz befand sich seit 1420 im Besitz der Familie v. Alvensleben. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor beschreibt die im Bild dargestellte barocke Anlage wie folgt:

„Es will fast unglaublich erscheinen, dass es in den Waldungen der Wendenheide, unweit südlich der altmärkischen Kreisstadt Gardelegen, einstmals einen derart raffiniert angelegten Sommersitz auf der Halbinsel eines künstlichen Stausees gegeben hat. Gerade über diese merkwürdige Anlage sind wir genauer unterrichtet als über jede andere unter den nicht mehr vorhandenen.

Seit Beginn des 15. Jahrhunderts war Polvitz als „wüste Stätte“ eines Wendendorfes im Besitz der Alvensleben. Von allen drei Linien, der Roten, der Weißen wie der Schwarzen ständig untereinander verkauft, vertauscht, verafterlehnt, blieb es seit 1607 endgültig in Händen der Weißen AIvensleben. Bald nach 1607 errichtete man ein Herrenhaus, das nur selten benutzt wurde. Der Hauptsitz der Polvitzer Herren, Schloß Eimersleben bei Erxleben, brannte 1692 nieder. Damals legten Welfen, Hohenzollern und Askanier ringsum gleichzeitig Lustschlösser an. „Durch die Schönheit der Lage angezogen“ schuf Friedrich Wilhelm v. Alvensleben ab 1692 das neue Polvitz, um es mit seiner Gemahlin, Friederike Elisabeth v. Bismarck-Crevese, zu bewohnen. Man sieht das Paar, die neue Schöpfung überblickend, am vorderen Bildrande dargestellt.

Zur Rekonstruktion wurden zwei zuverlässige Schilderungen des Patronatspredigers Gottlieb Leberecht Zarnack benutzt, der Polvitz seit 1746 kannte. Er hinterließ eine Beschreibung in Prosa und eine umfangreiche in Alexandrinern von 1773, reizendes Beispiel bukolischer Barockpoesie. Das Vorbild war, der Darstellung nach, Marly, die in Deutschland mehrfach nachgeahmte Schöpfung Ludwigs XIV., bei der chinesische Anlagen Pate gestanden hatten. Bei Zarnack heißt es unter anderem: „Kosten wurden nicht gespahret, vielmehr so reichlich verwendet, daß sie zu einem geräumigen und kostbaren Palais hinlänglich gewesen wären. Die Symmetrie herrschte überall, nicht nur in der Absicht der Wohn- sondern auch der Wirtschaftsgebäude. Indessen liebte der Bau Herr keine weitläuftige Häuser. Aus diesem Grunde ließ er unterschiedene kleine von einem Stock anlegen, die zusammen genommen die Adlige Wohnung ausmachten und in der Fronte sämtlich den schönen Lust Garten vor sich hatten. An innerer und äußerer Ausstattung mußte es gleichfalls nicht fehlen, doch hatte ein Saal, welcher mit zweyen Cabinettern ein ganzes Haus ausmachte, wegen der kostbahren Stuccatur Arbeit und fürtrefflichen Schildereyen einen mercklichen Vorzug“.

Die Anregungen werden über Braunschweig gekommen sein, wohin enge Beziehungen bestanden. Da der Bauherr in Eimersleben Künstler beschäftigte, die vorher in Braunschweig und Salzdahlum tätig waren, liegt es nahe, daß sie auch in Polvitz gewirkt haben. Wie in Marly und der Mainzer Favorite wurde hier der Baukörper des Schlosses in symmetrisch angelegte Pavillons aufgelöst. In die Mitte der Gesamtanlage setzte man den Saalbau. Die Pavillons, beiderseits des Hauptparterres gestaffelt, enthielten Wohn- und Schlafräume. Das erweckte spöttische Heiterkeit. Soweit war man im Verlangen nach Freiheit in der Natur, ohne Rücksicht auf Sicherheit, bisher niemals gegangen. Die einstöckigen Gebäude bestanden aus verputztem Fachwerk mit Stuck und Holzschnitzerei. Ihre bleigedeckten Flachdächer zeigten sich von Balustraden umgeben, die Innenräume mit Deckenbildern, Stuckaturen und Gemälden dekoriert, eine Art improvisierter Theater-Architektur. Wohnhaus und Orangerie formten mit dem Saalbau einen Ehrenhof. Davor lagen nach Westen, beiderseits der Einfahrt, die Wirtschaftsgebäude. Ein Stück des nach Gardelegen führenden Weges bildete eine Statuenallee. Im Garten auf der Seeseite gab es Parterres mit Bildwerken, Taxus und Blumenrabatten besetzt, dazu Laubengänge, Bosketts, zwei figurale Fontänen (Neptun und Nymphe), einen „Irrgarten“ und eine „Einsiedelei“ voller Gemälde, deren Sujets Zarnack humorvoll beschreibt.

Auf einer künstlichen Insel im Stausee der Milde stand in einem Ziergarten „ein Lusthaus, welches um der angenehmen Lage willen den Namen Belvedere bekommen hat und zugleich eine Fischer Wohnung in sich schließet“. Der vor 1447 angelegte See reichte, von Wäldern umschlossen, bis in die Nähe des Jagdschlosses Letzlingen. Auf dem Bilde sieht man gegen Nordwesten die Türme von Gardelegen und die Burg Isenschnibbe.

1747-1857 blieb Polvitz, mit der Herrschaft Gardelegen vereint, zur Sommerzeit häufig bewohnt. Im 18. Jahrhundert wechselten Moden und Geschmacksrichtungen schnell. Der Verfall der in vergänglichem Material errichteten Bauten ließ nicht auf sich warten. 1773 existierte nur noch der Saalbau, der dann offenbar einem Brande zum Opfer fiel. Nach dem Verkauf der Gardeleger Güter (1857) ließen sich die Nachkommen in Polvitz nieder, das 1945 noch ein stattlicher Waldbesitz war. Den See hat man nach 1850 abgelassen. Nutzbauten und ein neues Herrenhaus traten an die Stelle der ebenso bewunderten wie kritisierten Barockschöpfung. Nur mit Mühe vermag man noch einige Spuren davon zu entdecken“.

Von alledem ist nichts mehr vorhanden. Das hauptsächlich aus Wald bestehende Gut mit der zu ihm gehörenden Försterei Kenzendorf, mitten im Wald an einem kleinen Wasser gelegen, gehörte bis 1945 Wilman v. Alvensleben (1894-1967). Das Herrenhaus diente danach als Kinderheim. Nach der Wende konnten Wilmans Sohn Alkmar (1922-2005) und seine Kinder die Försterei Kenzendorf (2000) und einen Teil der Waldflächen (2001) wieder zurückkaufen.  Die Försterei ist ein neuer Mittelpunkt der großen Polvitzer Familie geworden.

Quelle: Udo v. Alvensleben-Wittenmoor: Alvenslebensche Burgen und Landsitze. Dortmund 1960.

Gutshaus Polvitz 1871 - erbaut um 1860

Gutshaus Polvitz 1871 – erbaut um 1860

Gutshaus Polvitz um 1930 - umgebaut um 1920

Gutshaus Polvitz um 1930 – umgebaut um 1920